3. Januar 2016

Rezension zu Rafik Schami "Sophia oder der Anfang aller Geschichten"




Rafik Schami, ein Damaszener, der seit mehr als 40 Jahren im Exil in Deutschland lebt, hat ein wunderschönes Buch über Wärme, Liebe und Menschlichkeit vor dem Hintergrund politischer Ereignisse in Syrien geschrieben.
Das Buch kommt im großartigen Stil orientalischer Erzählkunst daher, die alle beschriebenen Schauplätze, Handlungen und Sinneswahrnehmungen sehr lebendig und fast wirklich vor dem Auge und im Kopf des Lesers entstehen lässt. Kunstvoll verwobene Erzählstränge mit vielen kleinen aber wichtigen Nebenhandlungen wechseln sich mit ausdrucksstarken, sinnlichen und kraftvollen Beschreibungen der Stadt Damaskus, und anderer Handlungsorte ab. Man spürt bei jeder dort handelnden Szene förmlich die Liebe Schami's zu dieser Stadt und ihren Bewohnern.
Das Buch erzählt die Geschichte des syrischen Exilanten Salman, der nach seiner Flucht aus Syrien in Rom eine zweite Heimat findet und Anfang Dezember im Jahr 2010 nach einer Generalamnesie voller Sehnsucht in seine Heimat Damaskus und zu seiner geliebten Familie zurückkehrt. Dort wird er nach kurzer Zeit von einem missgünstigem und geldgierigem Verwandten in hoher Geheimdienstposition widerrechtlich verunglimpft und verfolgt, so dass ihm Gefängnisstrafe und die Hinrichtung droht.
Ein zweiter Handlungsstrang erzählt die Liebesgeschichte von Karim und Aida, die aus vielen Rückblicken auf die Vergangenheit der beiden Liebenden besteht. Beide Erzählstränge haben als verbindendes Element Sophia, Salmans Mutter und die Geliebte Karims in dessen Jugend.
Am Ende des Buches werden beide Fäden sehr geschickt miteinander verknüpft.
Das Buch handelt dicht an syrischer Geschichte und Tradition und revolutionärer und diktatorischer Tragik, die in Syrien und den angrenzenden arabischen Ländern herrscht. Es geht nicht berichtartig auf Abstand sondern erzählt direkt vom Schicksal der Menschen. Dazu gehören kurze und teilweise brutal ehrliche Episoden über Partisanenkämpfe, Gefängnisaufenthalte, Folterungen und Tod, aber auch arabische Sippenwirtschaft und traditioneller Rachemord, alles aus sehr persönlichen Blickwinkel von den einzelnen Charakteren berichtet.
Allerdings ist es insgesamt ein sehr hoffnungsvolles Buch gefüllt mit Geschichten über Familie, Liebe, Mut, Menschlichkeit, Selbstlosigkeit, Loyalität, Schönheit und Lebenslust, das mich sehr bewegt hat.
Fazit:
Das Buch war für mich ein unglaublicher Lesegenuss, bei dem ich mir viel Zeit gelassen habe, ab und zurückblätterte, viele Lieblingszitate fand und ein wenig traurig war, als ich auf der letzten Seite angekommen war. Es hat mich tief berührt und durch seiner unvergleichliche bildhafte Sprache und die bewegende teils spannende Geschichte wird es für mich zum kleinen Meisterwerk.
Ich vergebe fünf Sterne, also volle Punktzahl, und eine unbedingte Leseempfehlung.

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