12. Juli 2016

Rezension zu "Winterhonig" von Daniela Ohms



Die Autorin Daniela Ohms hat mit dem Roman " Winterhonig" eine sehr authentische und fesselnde Liebes- und Familiengeschichte aus dem Blickwinkel der Landbevölkerung mit Fokus auf die Zeit des Zweiten Weltkrieges verfasst. Sie ließ sich dazu inspirieren von den Erlebnissen ihrer Großmutter, was dem Buch für mich enorme Glaubhaftigkeit verleiht.

Klappentext
Paderborner Land 1930er Jahre:
Das Leben auf dem Bauernhof ist durch die Bestellung der Felder und die Versorgung der Tiere vorgegeben. Verzicht, Disziplin und Gottesfurcht bestimmen den Alltag der jungen Mathilda wie schon den ihrer Vorfahren. Erst der Zweite Weltkrieg ändert alles. Auf einmal müssen sie und ihre Schwestern harte Männerarbeit verrichten, in der Nachbarschaft entstehen neue Feindschaften und bilden sich unerwartete Allianzen. Selbst in ihrem Dorf ist das Klima geprägt von Misstrauen und Entbehrung, selbst hier wird Mathilda Zeugin von Judenverfolgung und schrecklichen Pogromen gegenüber Zigeunern. Aber mit wem kann sie noch darüber sprechen? Mit wem kann sie ihre Angst und ihre Sorgen teilen?
Karl, die große Liebe ihres Lebens, ist der Einzige, dem sie vertraut. Aber Mathilda weiß nicht, dass er ein gefährliches Geheimnis bewahrt. Als er eines Tages spurlos verschwunden ist, bleibt ihr nur eine einzige Erinnerung an ihn: ein Glas Winterhonig.

Zu Beginn des Buches kann man als Leser in schöner Langsamkeit Mathilda bei ihrer Entwicklung vom Kind zur jungen Frau über die Schulter schauen. Ihr Leben auf dem Hof ist stark geprägt vom frühen Tod ihrer Mutter und dem entbehrungsreichen und streng katholischem Landleben zusammen mit ihren Geschwistern und dem herben und wortkargem Vater, aber auch von der Liebe zu ihrem Bruder Josef und der Freundschaft und späteren Liebe zu Karl.

Mit Beginn des zweiten Weltkrieges verfolgt man als Leser teilweise atemlos und erstarrt die damit verbundenen Schrecken, zum einen im dörflichen Paderborner Land, zum anderen als Begleiter eines Reiterbataillons zunächst in Frankreich, später im Russlandfeldzug. Die Stimmung an beiden  Handlungsorten ist geprägt von den für mich auch während des Lesens unfassbaren Schrecken und Grausamkeiten des Krieges. Aus so persönlichen Blickwinkeln wie im vorliegenden Buch beschrieben bekommt dies eine völlig andere Dimension, der Abstand zur Betrachtung fehlt, so dass ich an manchen Stellen völlig paralysiert gelesen habe.
Die Autorin scheut auch nicht davor zurück, kriegsnahe Themen wie Zwangsarbeit, SS-Zugehörigkeit von Mitgliedern der Dorfgemeinschaft und spätere Reue aufzugreifen und ebenso aus der persönlichen Blickwinkeln zu betrachten. Aufgrund hervorragender Recherchearbeit, durch eindringliche Sprache sowie eine Erzählart nahe an den Charakteren sind auch diese Teile der Geschichte sehr  glaubhaft und klingen lange nach.

"Allmählich begriff er jedoch,  der Teufel nicht damit zufrieden war, nur auf einer Seite zu stehen. In einem Krieg tummelte sich das Böse auf jeder Seite, und selbst wenn alle Menschen den Krieg verlieren würden, der Teufel würde gewinnen."

Neben den historisch fundierten Ereignissen während des Krieges und der für mich hochinteressanten Beschreibung des Lebens auf dem Land zu dieser Zeit steht auch die Liebesgeschichte zwischen Karl und Mathilda sehr im Vordergrund des Buches.
Diese Passagen sind für den Leser kleine oder große Hoffnungsschimmer inmitten all des Leids und Elends, Inseln, auf die man sich retten und verschnaufen kann. Die Liebe ist nicht nur Hoffnung für mich als Leser, sondern auch für die Charaktere Mathilda und Karl, sie sorgt dafür, dass sie nicht an den Umständen zerbrechen, was im Buch in keiner Weise kitschig beschrieben ist.
Viele Blicke in die Vergangenheit erlauben, das Verhältnis zwischen Karl und Mathilda besser einzuschätzen und lassen die beiden Charaktere dreidimensional und lebendig erscheinen, ohne dabei vom Fokus auf den Erzählstrang abzulenken. Ich fühlte mich beim Lesen mancher Passagen nicht nur als stiller Beobachter, sondern hineinversetzt ins Geschehen.

Fazit:
Das Buch halte ich für sehr gelungen und lesbar sowohl mit Interesse für historische Ereignisse und Kriegsverwicklungen während des zweiten Weltkrieges als auch für Liebhaber tiefsinniger Liebes- und Familiengeschichten.
Eindringlich und sehr fundiert bekommt man den Größenwahn des zweiten Weltkrieges, die Verfolgung von ganzen Völkern und das herbe und entbehrungsreiche Landleben vor Augen geführt, begleitet von einer klug konstruierten Liebesgeschichte. Vier Sterne für ein empfehlenswertes Buch.


Roman, Hardcover
Erschienen bei Knaur Verlag
01.04.2016
ISBN 978-3-426-65397-5
19,99 €

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